NUMMER 11

     

 

Wer weiß, vielleicht war es doch keine Seilbahn. Die Rede ist von "Ticket To Ride": eines der vielen kleinen Rätsel der Beatlesinterpretation. Sie schickt ihren Freund in die Wüste, ohne einen weiteren Gedanken an ihn zu verlieren, und fährt los. Was heißt, sie "fährt los"? Für welches Transportmittel gilt ihr "ticket to ride"? Das erfahren wir nicht. Was wir aber wissen, ist, dass das berühmte Video zum Lied (damals noch "Promo" genannt) die Fab Four in einer Reihe unbeholfener, ein bisschen chaplinesker Skiszenen irgendwo in den österreichischen Alpen zeigt. Wofür soll das Ticket also sonst sein als für die Seilbahn, als wäre es eine Hommage an "Funicolì Funiculà"?
Okay, so ganz überzeugend ist das nicht. Wahrscheinlich war es eher ein Busticket.
Aber wie kamen die Beatles in die Alpen?
1965 waren die vier bereits weltberühmt. Im Jahr zuvor war hatten sie, auf der Höhe des Erfolgs, aber auch, um diesen quasi parodistisch zu dokumentieren, A Hard Day's Night gedreht, unter der Regie von Richard Lester. Damals war es absolut üblich, dass ein erfolgreicher Sänger auch Kinofilme machte, wem fallen in Italien nicht unzählige Musikkomödien mit Little Tony, Rita Pavone oder Gianni Morandi ein?
"A Hard Day's Night" war sehr erfolgreich gewesen und so schien es eine ausgemachte Sache, einen zweiten Film folgen zu lassen, wieder mit Lester als Regisseur (never change a winning team): der Film, der ursprünglich "Eight Arms To Hold You" heißen sollte, kam dann unter dem Titel "Help!" in die Kinos, nach dem gleichnamigen Lied, das Lennon und McCartney dafür geschrieben hatten. Dazu kamen weitere Stücke, die später die A-Seite der neuen Platte füllen sollten, als Soundtrack des Films ("Yesterday" war nicht dabei, das landete auf der B-Seite, weil niemand glaubte, dass ein so ungewöhnliches Stück dem Publikum gefallen könnte ... wie man sich täuschen kann!). So auch Ticket to Ride, das dann als Single produziert wurde.
Weil sie etwas anderes machen wollten als im ersten Film, ließen sich Lester und Partner von einem aktuellen Kinophänomen inspirieren: James Bond alias Sean Connery. Sie dachten sich eine Art Parodie aus, die sich um einen geheimnisvollen und mächtigen Ring von Ringo Starr drehen sollte, den der jeweilige Bösewicht an sich zu bringen versucht. Wie bei 007 sollte der Film an verschiedenen exotischen Orten spielen, und die Beatles entschieden selbst, wohin sie zum Dreh reisen wollten. Ausgehend von ihrer Liste sollten die Drehbuchautoren dann ad hoc die Szenen entwerfen.
Auf dieser Wunschliste stand auch eine Woche im Schnee in den Alpen.
Viele wissen das nicht, aber der ausgewählte Ort war Obertauern, unweit von Salzburg und heute ein beliebtes Touristenziel für Wintersportfans. Die Beatles kamen dort am 13. März 1965 an, zwei Tage nach ihrer Rückkehr von den Bahamas (einer anderen exotischen Location des Films). Sie stiegen im Hotel Edelweiss ab und erhielten jeder einen Skilehrer (unter ihnen Willi Grillitsch, der dort nach wie vor seine Skischule unterhält).
Am nächsten Tag wurde mit dem Dreh begonnen, öfter auch mit Doubles, wenn es zu waghalsig wurde. Ein Double hätte sich besser auch der Produzent, George Martin, zugelegt: wenngleich er mit den Dreharbeiten nichts zu tun hatte, begleitete er das Team, um sich eine Woche Urlaub in den Bergen zu gönnen. Pech gehabt: bei der ersten Wanderung brach er sich den Knöchel und durfte den Rest der Ferien im Bett verbringen.
Zurück zu den Beatles: außer dem "Promo" für "Ticket To Ride" (wo die vier auf sehr komische Weise illustrieren, dass der private Skiunterricht wohl nichts gebracht hat), wurde in Obertauern eine weitere bekannte Szene gedreht, die Curlingpartie mit dem Sprengstoffattentat der "Bösewichte". Der Arbeitsurlaub endete nach genau einer Woche und die Beatles kehrten nach London zurück, um in den Twickenham Film Studios (wo vier Jahre darauf auch der letzte Film, Let It Be, gedreht werden sollte) weitere Aufnahmen zu machen.
In den Londoner Studios entstand dann auch die letzte "Bergszene" dieses kurzen Abenteuers. Da der Film vor allem durch die alpinen Szenen geprägt ist (ein bisschen wie in "A Hard Day's Night", wo die Eingangsszene mit der Flucht der Fans, symbolische Bedeutung hat), beschloss man, auch das Cover zum Album "Help!" in diesem Stil zu gestalten. Dazu noch einmal nach Obertauern zu fahren, kam nicht in Frage, also baute man in den Studios eine Schneelandschaft nach, in der die Beatles in einer Reihe stehen und mit dem Armen eine Reihe von Zeichen nachstellen, die damals alle für H, E, L und P gehalten hatten.
Das ist nicht ganz richtig.
Der Fotograf, der das Cover schießen sollte, Robert Freeman, fand die Kombination der Arme für dieses Wort nicht sehr fototauglich und schlug vor, andere Positionen auszuprobieren. Das Bild, mit dem dann alle zufrieden waren und das auf das Cover kam, zeigt die sinnfreie Wortfolge "NUJV".
Won't you please, please NUJV me ... damit wären sie wohl nicht auf dem ersten Platz gelandet.

 
© 2006-2011 EcodelleDolomiti